Silicon Wahnsinn: Wie ich mal mit Schatzi nach Kalifornien auswanderte by Katja Kessler

Silicon Wahnsinn: Wie ich mal mit Schatzi nach Kalifornien auswanderte by Katja Kessler

Autor:Katja Kessler [Kessler, Katja]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Tags: Deutschland, Humor, Reisen, USA, Biografie
Herausgeber: Ullstein
veröffentlicht: 2014-07-31T23:00:00+00:00


Das Problem mit dem Glück ist ja: Es hat kein Schild um den Hals hängen, auf dem steht: Ich bin das Glück. Deswegen übersieht man es gern.

Auf der anderen Seite: Selbst wenn ich die Brille mit den ganz dicken Gläsern aufsetzte: Irgendwie erschien mir gerade alles etwas fad und uninspirierend. Rosie hatte so Recht behalten mit ihrer Warnung, das Valley sei speziell.

Okay, vielleicht war ich jetzt gerade etwas ungerecht, vielleicht war das einfach nicht mein Morgen. Aber um ehrlich zu sein: Das war auch schon nicht meine Woche. Was sag ich? Mein Monat.

Ich fühlte mich, als hätte ich mit ins All fliegen dürfen, allerdings nicht als Astronaut, um Weltraumspaziergänge zu machen und Sterne zu gucken. Sondern als Smutje, der im fensterlosen Bauch der Rakete Küchendienst schiebt.

Ich saß immer im Auto auf dem Weg zum nächsten Stau. Ich fuhr morgens zur Schule, fuhr einkaufen, fuhr wieder nach Hause. Fuhr wieder zur Schule. Fuhr hier hin, fuhr da hin, fuhr dort hin. Vier Kinder, ein Haushalt, ein Auto – ich nur ein Mensch. My home is my car. So riss ich meine Meilen ab. Doch je öfter ich mit mir allein war, desto frustrierter dachte ich: ›Immer nur diese Katja. Sorry! Aber das hält doch keine Sau aus! Ich krieg ’nen Föhn.‹

Es gab aber auch keine Alternative. Ich konnte die Kinder ja nicht aufs Fahrrad setzen, dafür waren die Entfernungen zu groß. Busse und Züge existierten einfach nicht. Ulkig: Da ist Kalifornien größer als Deutschland. Aber der Verkehrsverbund Nordfriesische Inseln verfügt mit Sicherheit über mehr öffentliche Verkehrsmittel.

Wie gesagt: Am meisten war ich von mir selbst genervt. Ich hatte nichts zu erzählen, und wusste nicht, was ich reden sollte mit den anderen Expat-Muttis, die auch nichts erlebten. Nicht schön, sich selbst beim Schweigen zuzuhören. Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Äußerlich – weil meine Hosen nicht mehr zugingen. Innerlich – weil du dich eben nicht wie ein Mäntelchen an den Garderobenhaken hängen und ein neues Ich anziehen kannst. Hier in Amerika wurde ich sehr mit der Nase darauf gestoßen, wie deutsch ich eigentlich war. Das ist eben nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern der Fingerprint auf deinen Hirnwindungen. So bin ich zum Beispiel der Prototyp des Warteschlangen-Optimierers – immer am Linsen: Wo geht’s schneller? Immer willens, wie ein Floh in die Nachbarschlange zu hüpfen, wenn mir das fünf Sekunden Zeitersparnis verspricht. Mit einem Mal war ich umgeben von geduldig Wartenden, die mich zwangen, auch geduldig zu warten. Das zehrte an meinen Nerven. Auch dieses Immer-nett-sein-Müssen ging mir total auf den Wecker. Das hatte ich nicht mit der Muttermilch aufgesogen. Ich bitte um Verständnis.

Und Schatzi? Ging’s dem wenigstens ähnlich? War der auch frustriert? Das wäre doch ein schöner Trost! Aber: Nö. Der war voll glücklich in seiner Kumpel-WG, den sah ich kaum. Sein neues Leben war sein altes: Er hatte jemanden, der für ihn einkaufen ging, wischte und wusch. Er hatte seine Kumpels, seine Termine, sein Telefon. Eine Frau, die auf ihn wartete in den Time-Slots dazwischen. Und, ganz besonders toll: Er hatte auch eine neue erogene Zone.



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